Im „zweiten Zimmer“ wird die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann logieren. „Sie kommt wie eine Poetin, umwogt von irgendeiner Art Schleier in matten, sehr bewußt gewählten Farben“, heißt es einmal über ihr Auftreten während einer Lesereise. 1971, nach zehnjähriger Publikationspause, erscheint Bachmanns erster Roman „Malina“, angekündigt als Band Eins des sogenannten „Todesarten“-Zyklus’. Der Roman wird sofort zum Bestseller, während die Kritik sich schwertut mit Bachmanns Wechsel von der Lyrik zur Prosa. Später erst erhält „Malina“ die angemessene Wertschätzung und erweist sich als ein
weit über seine Zeit hinausreichendes Werk. Für unser "zweites Zimmer" beziehen wir uns auf das dritte Kapitel -
mit der Überschrift "Von letzten Dingen".
„ ... es war Mord.“ Mit dieser knappen Zeile endet der Roman „Malina“. Im Zentrum des Romans steht die namenlose Ich-Erzählerin, welche ihre existentielle Situation als Frau und Schriftstellerin bis in die letzten Windungen erforscht. In Monologen, Dialogen, Erinnerungen, Fragmenten, Entwürfen entwickelt sich das dritte Kapitel zur Partitur der Auslöschung. Hier klärt sich die Figur des Malina als alter ego der Erzählerin, als einer Fiktion, einer Spaltung des Ich.
Das zweite Zimmer: Ein privater Raum. Eine Inneneinrichtung. Eine Frau zwischen Identität und Zerrrissenheit, Synchronität und Konflikt, Abendkleid und Morgenmantel. Ein Rollenspiel zwischen Außenbild und Insichsein. Während nach außen hin eine Stimme unverändert spricht, bricht im Inneren eine Welt auseinander. Ein Riss tut sich auf, der Blick führt in ein Treppenhaus. Je höher sich die Stufen hinaufschrauben, desto mehr fallen Raum und Zeit auseinander. Was bleibt, sind Indizien – und ein Riss in der Wand. Der Zuschauer wird Zeuge eines Verschwindens und bekommt das Gefühl, in einem leeren Gebäude zu sein, in
dem nur noch die Schatten und Erinnerungen aus der Vergangenheit ihre Spuren hinterlassen. Nach außen hin ist alles
beim Alten geblieben. Oder doch nicht?
Ein leises und leidenschaftliches Kammerstück über das Verschwinden...