Schauspiel: Thomas Beck, Christoph Bochdansky, Dorit Ehlers; Bühne: Alois Elmauer, Arthur Zgubic; Kostüm: Hilde Böhm, Lilli Pfeiffer; Puppenbau: Christoph Bochdansky; Produktion: Sabine Jenichl

In der Produktion »Intakte Bewohner desolater Städte« nimmt das Publikum Platz in einem alten verstaubten Varieté. Hier hausen zwei alternde Taschentrickspieler und Zauberkünstler, deren beste Tage schon vorbei sind. Sie teilen Erinnerungen an »famose« Erfolge und »spektakuläre« Auftritte – eine tragikomisch beckett’sche Dauerschleife, in der die beiden Lebenskunst-Artisten gefangen sind und auch gefangen sein wollen. Und dann ist da noch die glamouröse Impresaria. Eine schrille Diva, elegant und mondän, aber auch ein derbes Schandmaul vor dem Herrn. Irgendetwas war passiert, damals in dem schmuddeligen Theater in Marseille – der letzten Station ihrer Tournee: Die Impresaria ist verschwunden, und ward nie wieder gesehen. Und doch geht das Leben für alle drei weiter, so wie immer zuvor, und dreht sich von einem Weltenwurf zum nächsten und doch immer im Kreis ...

„Dies ist die Welt, verkündet die Babylonische Weltkarte, und Babylon ist die Welt. Für diejenigen, die sich als zu Babylon gehörig empfanden, muss es eine beruhigende Botschaft gewesen sein. Für die Betrachter, die dies nicht taten, war die Aussage über Babylons Macht und Herrschaft unmissverständlich“, so beschreibt Jerry Brotton die älteste erhaltene Darstellung der Welt auf einer Keilschrifttafel.

Weltkarten als Weltentwürfe: Es hat etwas sehr Faszinierendes, wenn man sich durch die Geschichte und Darstellung von Welt- und Landkarten liest – von den ersten Versuchen einer geografischen Welterfassung vor dreitausend Jahren bis heute. (Wer kennt nicht die Faszination, wenn man einen Globus vor sich hat, der die Weltordnung noch vor 1989 zeigt...) Es sind nicht nur grafische Bilder, die der räumlichen Orientierung oder der Grenzziehung im Sinne von Macht- und Eigentumsansprüchen dienen, sondern es tut sich auch ein ganzer Epos von unterschiedlichen Weltbildern auf, Entwürfe, wie sich der Mensch in seiner Welt sieht, aber nicht nur im weltlichen Sinn, sondern auch in einem religiösen oder philosophischen Zusammenhang. So erzählen z.B. die Weltkarten des Mittelalters von den Rändern der Welt, in der sich monströse Mischwesen, bedrohlich deformierte Kreaturen tummeln, sprich: Bewohner des bösen Reichs des Heidnischen. Hier ist das Fremde zuhause. Hier ist die Projektionsfläche für das Irrationale, ein Katalog der Angst vor dem Anderen – eine phantastisch entworfene Droh-Welt. Vor allem in dem Jahrhundert der großen Entdeckungsfahrten, Expeditionen und der gewaltsamen Kolonialisierungen blüht das Geschäft mit der Angstproduktion vor dem Fremden, das sich natürlich in der Bildsprache der Welt- und Landkarten abgebildet hat.

Das Fremde, die Angst und die Lust daran: Ein Ort, an dem »die Aneignung des Fremden« in einer äußerst spektakulären und bizarren Art und Weise stattgefunden hat, waren die Bühnen der Varietés des 19. Jahrhunderts. Hier wurde das große Schaudern zur Angstlust, die monströsen Bewohner vom »Ende der Welt« auf die schmuddeligen Bretter der reisenden Jahrmärkte geholt: die Freakshow der gigantischen Kolonialisierungsmaschine. Die Welt ist eine Kugel und die Ränder der Welt als Scheibe sind nun im Zentrum der Vergnügungsgeschäftemacher gelandet.

Dieses Variete mit seinen Bewohnern, inklusive Puppen, Wesen, Trickkisten, zeigt ein groteskes Panoptikum, in dem sich Landkarten und Shownummern abwechseln, Weltentwürfe drehen sich um sich selbst. Eine bizarre Reise ans Ende der Welt, wo die Angst vorm Fremden lauert, eine Reise an das Kap der guten Hoffnung ...

Premiere: Dezember 2018/ARGEkultur Salzburg

Eine Koveranstaltung von ohnetitel und Christoph Bochdansky mit der ARGEkultur Salzburg in Kooperation mit dem Schubert Theater Wien

Finanzielle Unterstützung: Stadt Salzburg, Land Salzburg, Kulturstiftung Liechtenstein

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