Ann Sexton

Im “ dritten Zimmer” einquartiert: die mondäne Anne Sexton. "Manchmal fühlte ich mich wie ein Reporter, der über sich selbst Nachforschungen anstellt", sagt Anne Sexton 1968. Ein Jahr zuvor wurde der Autorin der Pulitzerpreis verliehen, am Höhepunkt einer beispiellosen Karriere. Sieben Jahre später wird Anne Sexton ihrem Leben endgültig ein Ende setzen.

Die Gedichte der bei uns nahezu unbekannten amerikanischen Lyrikerin Anne Sexton verarbeiten Stoffe aus der Lebensgeschichte der Autorin: Kindheit und Jugend im puritanischen Neuengland, die psychische Erkrankung und die Episoden der Hospitalisierung, die von Angst- und Schuldkomplexen beladenen Beziehungen zur Mutter, zu den eigenen Töchtern.

So notiert Sexton zu einem ihrer Gedichte: Sie fühle sich „unwirklich“, weil sie in den Positionen, die sie in den Paarbeziehungen der Ehefrau und Mutter besetzt, unbewusst den Platz des Kindes für sich beansprucht. Erst im Spiegel der anderen kann Anne Sexton ihre eigene leere Identität sehen. Und genau hier setzt unser Interesse für "das zweite Zimmer" an: die Spiegelung der Autorin im Kind. Der entsprechende Lyrikband, auf den wir uns beziehen, wurde im September 1971 erstmals veröffentlicht: "Transformations", in der deutschen Übersetzung "Verwandlungen". Sexton liest die altbekannten Märchen der Gebrüder Grimm gegen den Strich. Siebzehn Gedichte entstehen. Die Märchenfiguren streben einen Zustand des Glücks an, doch sie und wir mit ihnen müssen erkennen: unsere Schuld bleibt unausweichlich bestehen, die Spuren unserer Traumatisierungen sind untilgbar, unsere Ängste unentrinnbar...

Ein Gastgeber, der zu sich nach Hause eingeladen hat. Begrüßung der Gäste zur Cocktailparty. Die Stimmung heiter. Smalltalk, Abendkleid und Smoking. Im Hintergrund schrille, hypnotisierende Musik der Beatnikgeneration, Velvet Underground versus Schubert. Die Gäste in einem ständigen Hin und Her zwischen aufdringlicher Harmlosigkeit und innerem Monolog. Siebzehn Szenen einer Vertreibung. Ein Oszillieren zwischen innen und außen, zwischen unschuldig und gefährlich. Cocktailglas und vergifteter Apfel. Das Ende der Party verspricht ein Happy End oder einen Popsong. Und eine Verwandlung im letzten Moment...

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